Die Veröffentlichung von ChatGPT und den darauf basierenden vielfältigen, „kostenlosen“ Testangeboten auch im Unternehmenskontext lassen so manchem Datenschützer graue Haare wachsen. Für jedes Einsatzszenario gibt es spezialisierte KIs mit oft fragwürdigen AGBs und Datenflüssen. Hier gilt, wenn etwas kostenlos ist, ist der Nutzer oft selbst das Produkt und stellt bereitwillig Trainingsdaten zur Verfügung. Und trotzdem werden diese Tools auch im Firmenkontext reichlich genutzt. Sinnvoll ist der Einsatz sicherlich. Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert sogar, dass 50 Prozent der heute bekannten Tätigkeiten im Büroumfeld mittelfristig durch generative KI übernommen werden.

Mit dem M365 Copilot adressiert Microsoft genau diese Zielgruppe und Anwender, die in den Office-Produkten effizienter arbeiten und auf Basis ihrer eigenen Tenant-Daten bessere Ergebnisse erzielen möchten, ohne dabei die schützenswerten Unternehmensdaten über den M365 Tenant hinaus zu streuen. Im Rahmen des Early-Access Programms waren wir bei der Arvato Systems Digital GmbH in der Lage die Funktionen des M365 Copiloten auf Herz und Nieren zu testen. Zum jetzigen Zeitpunkt konnten ausführliche Tests in Word, PowerPoint, der Teams App ‚Copilot‘ sowie Excel durchgeführt werden. Dabei hat uns der Copilot an vielen Stellen positiv überrascht, aber auch in einigen Bereichen Schwächen offenbart, an denen noch fleißig gearbeitet werden muss.

Zunächst begann das Programm für uns mit einer steilen Lernkurve und wir haben den Kontext in den Prompts anfangs stark unterschätzt. Hierfür ein Beispiel: Der Prompt „Was gibt es Neues von Person /XY“ lieferte uns immer nur Ergebnisse aus dem Outlook Posteingang – 1:1 Chats und Gruppenchats in MS Teams wurden ignoriert. Ein optimierter Prompt „Zeige mir Chats mit Beiträgen von /XY“ zeigt alle Beiträge der letzten Tage, an denen der Kollege beteiligt ist, und verbessert die Ergebnisse signifikant.

Die ersten Aha-Effekte traten dann ausgerechnet bei der Erstellung einer Stellenanzeige in MS Word auf, bei dem Word genau die Struktur unserer Arvato Systems spezifischen Stellenanzeigen bei der Antwort berücksichtigte und auf Nachfrage sogar die Benefits von uns als Arbeitgeber richtig hinzufügte. Chapeau!
Apropos Struktur: Wer kennt es nicht, man sitzt vor einem leeren Blatt und fragt sich, wie man größere Dokumente am besten strukturiert. Meistens ist der erste Schritt der schwierigste, liegt eine Struktur erst mal vor, gelingt es dann relativ schnell, die Themen weiter auszuformulieren. Das kann der M365 Copilot schon heute sehr gut und reagiert auch kreativ auf „Sonderwünsche“ in Prompts zur Verfeinerung.

Auch die weiteren Assistenten in den Office-Applikationen brachten teils erstaunliche Ergebnisse zu Tage, wenngleich wir beim Erzeugen von PowerPoints auf Basis komplexer Word-Dokumente noch Luft nach oben ausmachen konnten. Die Zusammenfassung von PowerPoints in einer abschließenden Folie führte dagegen zu sehr guten Ergebnissen ganz zu schweigen von meinem persönlichen Lieblingsfeature dort: „Füge ein Bild zum Thema XY ein“. Auch hier gilt, je detaillierter der Kontext desto besser die Ergebnisse.

Den Schwerpunkt der Analysefunktion in Excel sehen wir dagegen momentan bei Anwendern die nicht so vertraut mit der Tabellenkalkulation sind. Ein Power-User, der seine Monatsabschlüsse in Excel durchführt, kommt momentan mit Handarbeit schneller zum Ziel. Zusammenfassend ist das Tool im Anbetracht des frühen Stadiums schon sehr gut und der Algorithmus, der die Relevanz der Informationen steuert, sowie der automatische Umbau von Prompts durch Copilot selbst verbessert sich kontinuierlich.

Die Aktivierung von Copilot im Tenant ist relativ einfach zu bewerkstelligen, greift allerdings nur auf Inhalte zu, die im M365 Universum abgelegt sind. Je nach individueller Situation ergeben sich für die Nutzung daher noch verschiedene Vorarbeiten. Ist etwa der Großteil der Daten noch auf Netzlaufwerken gespeichert, steht hier eine Migration der Inhalte an, gleiches gilt für On-Premises Office-Versionen, diese werden von Copilot nicht unterstützt. Ähnlich wie der Google Suchalgorithmus bietet Copilot auch keinerlei Möglichkeiten den Algorithmus anzupassen. Sollen einzelne Bibliotheken oder Daten nicht indiziert werden, setzt dies Überlegungen und ein entsprechendes Governance-Konzept voraus. Oversharing und Versionierung, sofern dafür Namenskonventionen im Filesystem genutzt werden, können das Ergebnis verfälschen. Auch die Anbindung von Drittsystemen, wenn etwa das Unternehmenswissen in Confluence oder anderen Wissensmanagement-Tools liegt, bedarf eines Konzepts und einer Bewertung durch Cloudarchitekten.

Unser Fazit:

  • Basierend auf unseren Erfahrungen haben wir ein Best Practice entwickelt, wie die Einführung von Copilot zum Erfolg wird und empfehlen auch Kunden dies im Rahmen Ihrer IT-Strategie zu bewerten.

  • Nicht für jedes Problem ist der M365 Copilot die richtige Antwort.

  • Es bedarf einer klar definierten Verantwortlichkeit dieses Thema voranzutreiben, in unserem Fall haben wir ein eigenes Competence Center institutionalisiert, das Kunden und Mitarbeitern zur Verfügung steht.

Bertelsmann und Arvato Systems werden in ausgewählten Bereichen M365 Copilot weiter nutzen.

Übrigens, auf die Frage nach dem Handlungsbedarf empfiehlt Copilot auf Basis dieses Dokuments: „Bevor Copilot im Tenant aktiviert werden kann, müssen möglicherweise verschiedene Vorarbeiten durchgeführt werden, wie zum Beispiel die Migration von Inhalten von Netzlaufwerken oder die Anbindung von Drittsystemen. Es bedarf auch einer klar definierten Verantwortlichkeit, um dieses Thema voranzutreiben.“

Autor: Markus Krenn, Arvato Systems Digital GmbH

Kommentar von Vanessa Gieske, fischerwerke:

M365 Copilot – ein revolutionäres Produkt, das die Art und Weise, wie wir arbeiten, nicht nur verbessern, sondern völlig transformieren soll. Das Versprechen neue Produktivitätslevel zu erschließen und die Effizienz bei allen Bürotätigkeiten in kürzester Zeit deutlich zu erhöhen klingt sehr verlockend. Einige mitreißende Marketingvideos später ist es kein Wunder, dass sich Unternehmen um diese neuartige Technologie reißen. Am 01.11.23 ist es nun so weit, aber natürlich nicht ohne Bedingungen. Um direkt dabei zu sein, müssen mindestens 300 Lizenzen abgenommen werden, für viele kein Showstopper, denn im Unternehmen finden sich genug interessierte Testuser mit hohen Erwartungen. Natürlich ist es ratsam die Testgruppe anfangs einzugrenzen, allerdings sind die 300 Lizenzen gekauft, also warum nicht nutzen. Ganz vorne mit dabei das Management, das von den erhofften Benefits profitieren möchte. Die Erwartungen sind hoch und das Resultat, naja, wie zuvor beschrieben: Wow-Effekte wechseln sich ab mit Enttäuschungen.
Aus der Unternehmensperspektive kann das zu einem Problem werden, denn zu viele enttäuschte Erwartungen könnten das Vertrauen in KI und speziell in den M365 Copilot nachhaltig schädigen. Dies wäre nicht nur für Unternehmen nachteilig, sondern auch für Microsoft selbst. In dieser Hinsicht wäre eine transparentere Kommunikation über die Chancen aber auch Grenzen des M365 Copilot gegenüber Unternehmen ohne Early-Access wünschenswert.