Über Monate und Jahre hinweg war gebetsmühlenartig der immer wieder gleiche Tenor zu hören:
Deutschland verschläft die Digitalisierung und verliert den Anschluss.

Aktuell hat man den Eindruck, Deutschland ist in Sachen Digitalisierung aufgewacht (und wurde an vielen Stellen schon wieder durch eine völlig überzogene EU-DSGVO eingebremst). Der Digitale Wandel ist an vielen Stellen zu spüren und den Unternehmen gehen langsam im IT-Bereich die Ressourcen aus. So mancher IT-Bereich „geht inzwischen auf dem Zahnfleisch“, wie es ein IT-Verantwortlicher neulich formulierte: der Transformationsprozess stellt eine immense Doppelbelastung dar. Man kann nicht einfach „die alte Welt“ abschalten und von heute auf morgen mit der „neuen Welt“ weitermachen.

Manchmal gewinnt man aber auch den Eindruck, die Digitalisierung und der Weg in die Cloud werden zum Selbstzweck. Man will einfach mit dabei sein, den Anschluss nicht verlieren. Digitalisierung, KI, ChatBots und Cloud werden zu Hype-Themen. Es wird hektisch. Wilder Aktionismus greift um sich. Man schmeißt auf Teufel komm raus alles über Bord und sucht sein Heil in neuen Technologien.

Große IT-Player, ganz vorne dran Microsoft, tun das Übrige dazu: Firmenkunden werden nicht mehr danach beurteilt, welchen Lizenzbestand sie haben. Firmenkunden werden danach beurteilt, wer wieviel Potential in Richtung Digitalisierung / neue Technologien / Cloud hat – und wer dieses Potential auch erkennbar ausschöpfen möchte. Wer da nicht mitzieht, der wird weniger intensiv betreut und fällt hinten runter. Microsoft definiert sich als Innovations-Treiber.

Aus Sicht von Microsoft mag eine solche rigide Ausrichtung Sinn machen. Für Anbieter wie Microsoft ist es zunehmend schwierig und teuer geworden, sowohl die „alte Welt“ on prem mit teils in die Jahre gekommenen Lizenzbestand als auch die „neue Welt“ zu supporten. Wenn alles und jeder in die Cloud zieht und sich dort statt festen Updatezyklen einer permanenten Softwareaktualisierung unterwirft, dann spart das signifikant Entwicklungs- und Supportressourcen: weniger Probleme mit Kompatibilität zu alten Version, weniger Patches für alte Versionen, weniger Supportanfargen zu alten Versionen. So betrachtet ist „cloud first, mobile first“ sicher die richtige Strategie – was auf den ersten Blick allein innovativ und zukunftsweisend aussieht, ist eigentlich eine Art Selbstschutz-Strategie.

Die Anwenderunternehmen haben aber – wer hätte es gedacht – einen ganz anderen Fokus. Die Anwenderunternehmen wollen Waren und Dienstleistungen an Kunden verkaufen. Und zwar an Kunden, die dann hoffentlich zufrieden sind. Denn jeder Euro, den Anwenderunternehmen für Personal, für Produktentwicklung, für Werbung, für Expansion, für Zukunftssicherung ausgeben können, kommt genau von diesen Kunden. Für Anwenderunternehmen, egal ob Maschinenbauer, Bauunternehmen oder Konsumgüterhersteller,  kann daher „consumer focused, consumer driven“ die einzig sinnvolle Strategie sein.

Und genau hier sind wir an des Pudels Kern angekommen. Digitale Transformation – die übrigens nie die blose Digitalisierung alter bestehender analoger Prozesse sein kann, sondern immer ein kompletter Umbruch in Sachen Prozesswelt und Unternehmenskultur ist – macht nur dann Sinn, wenn dadurch der Unternehmenserfolg gesichert oder besser noch gesteigert wird. Der Weg in die Cloud ist nur dann kein Irrweg, wenn dadurch echte nachvollziehbare nachrechenbare Vorteile erzielt werden. Der Digitale Wandel in all seinen Facetten muss sehr intensiv Kosten-/Nutzen-Betrachtungen mit einschließen und auch eine grundsätzliche Strategiediskussion beinhalten. Und bei allem muss die alles entscheidende Frage sein: Was hat unser Kunde davon?

Die Herausforderung bei allen Innovationsprojekten ist also nicht in erster Linie (software-) technischer Natur. Die eigentliche Herausforderung ist, die Unternehmen unter Beachtung der technischen Möglichkeiten an den künftigen Anforderungen des Marktes auszurichten. Leider haben das viele – auch viele Softwareanbieter – noch nicht verstanden.